Strafanzeige wegen eines Auftritts im
Offenen Kanal Bürgerfernsehen geht
gegen programmlichen Missbrauch vor.
Von Karin
Franzke, Karin Franzke, Maike Schiller
Hamburg - Es war als
TV-Sendung für den Erhalt des Offenen Kanals Hamburg in seiner
jetzigen Form angekündigt - und nun beschäftigt sich die
Staatsanwaltschaft der Hansestadt damit. "Nach meiner Ansicht
sind Anhaltspunkte gegeben, dass es sich bei Teilen der Ansage
zur Musikperformance der Gruppe Happy Grindcore um strafbare
Äußerungen handelt", schreibt Leonhard Hansen, Beauftragter
der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM) für den
Offenen Kanal, in seiner Strafanzeige. Dabei geht es um den
Sänger der Gruppe, der am 8. Mai in der dreistündigen
Live-Sendung "dann tramp ich eben nach Nizza" dazu aufgerufen
hat, "diesen beschissenen Senat wegzumachen" - unter Einsatz
von Gewalt. Ein Mitschnitt des Beitrags wurde der
Staatsanwaltschaft übergeben.
"Mit aller Schärfe
verurteile ich, dass die Möglichkeiten des Offenen Kanals
missbraucht wurden und durch das Fehlverhalten eines Einzelnen
Tausende von engagierten Hamburger Bürgerinnen und Bürgern
möglicherweise diskreditiert werden", erklärt Hansen. Er weiß,
dass der Offene Kanal 15 Jahre nach seiner Gründung ohnehin in
einer schwierigen Situation steckt. Nach dem neuen
Hamburgischen Mediengesetz soll die Trägerschaft des
Bürgerfernsehens von der Hamburgischen Anstalt für Neue Medien
(HAM) in die Trägerschaft der Hamburg Media School (HMS)
übergehen. Der HMS werden dann auch die bisher von der HAM zur
Verfügung gestellten 900 000 Euro pro Jahr aus
Rundfunkgebühren zugewiesen. Seit diese Pläne bekannt sind,
setzt sich das Nutzerforum öffentlich für die Beibehaltung des
OK in seiner jetzigen Form ein (wir berichteten).
Rund
18 000 Sendungen wurden seit dem Start am 2. September 1988
ausgestrahlt. Ob Kinder- und Jugendprogramme wie "(i:si)" oder
"Fischbrötchen TV", schräge Kochshows ("Gehäutete Tomaten quer
zur Laufrichtung schneiden!") oder der Deutschkursus
"Sprachfuchs" - 38,8 Prozent der Hamburger haben schon mal in
den OK hineingeschaut, ein Prozent tut das regelmäßig. Die
Reaktionen sind so bunt wie das Programm selbst und reichen
von "Ein Paradies für Freaks" über "Demokratie in Reinkultur"
bis zu "Widerlich". Immer wieder gerieten einzelne
Ausstrahlungen in die Schlagzeilen: Mal erregte ein hopsender
Nackter die Gemüter, mal ein Schwulenmagazin oder das
Horrorvideo eines Teenagers. "Strafrechtlich war aber kein
einziger Fall relevant", betonte OK-Leiter Leonhard Hansen
noch vor einer Woche.
Etwas anders verhält es sich mit
den muttersprachlichen Ausstrahlungen, die rund 15 Prozent des
Gesamt-Sendeanteils ausmachen und erst seit Juli 2002 ins
Deutsche übersetzt werden müssen. Bis dahin, räumt Hansen ein,
seien "manche Sendungen aus dem islamischen Bereich nicht
förderlich zum Abbau von Vorurteilen" gewesen. Doch schon
immer habe man sich bemüht, durch vorab eingeforderte deutsche
Inhaltsangaben einen Missbrauch auszuschließen.
Vereinzelt hatte, zuletzt kurz nach dem 11. September
2001, allerdings auch der Verfassungsschutz ein Auge auf den
Sender: "Es gab Hinweise, dass sich Extremisten des Offenen
Kanals bemächtigten. Nicht flächendeckend, aber partiell ist
das auch geschehen", so Heino Vahldieck, Leiter des Hamburger
Landesamts. Aktuell sei der OK aber "absolut kein
Beobachtungsobjekt".
Das kann sich jetzt wieder
ändern, auch wenn sich der für die Sendung verantwortliche
Nutzer "von sämtlichen Äußerungen, die die Gruppe während
ihres Auftritts von sich gegeben hat", schriftlich distanziert
hat.
erschienen am 15. Mai 2003 in Kultur / Medien
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